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AutorenbildCOPTR GmbH

Gewitterwarnsysteme in öffentlichen Freibädern

Aktualisiert: 15. Aug. 2023


Coptr-Geschäftsführer Philipp Kominek im Interview mit Marco Hortz


Wie wird die Betriebssicherheit mit Hilfe des Gewitter­Warnsystems gesteigert?

"Das Warnsystem warnt das Badpersonal und die Badegäs­te vor lebensgefährlichen Gefahren wie Blitzschlag oder auch Sturm. Es arbeitet durchgehend ohne Pause auf dem neuesten Stand und im Rahmen der anerkannten Regeln der Technik. Das Badpersonal kann sich insbesondere an bis zu 30 schwül­heißen Gewitter-Tagen, wo die Bäder zudem stark besucht sind, besser auf Ihre Kernkompetenz der Wasseraufsicht kon­zentrieren und muss nicht parallel auch noch die Wetterlage im Auge behalten. Sicherheit und Routine durch immer gleich­bleibende, geregelte Abläufe durch vollautomatische Funkti­on und individuelle System-Konfiguration, statt subjektiver Entscheidungen und Abstimmungen innerhalb Badpersonals. Analog dem Chlorgasalarm, ist auch beim Gewitter-Warn­system der Faktor Mensch bei der Messung und Alarmierung vor der Gefahr ausgeschlossen. Das Gewitter-Warnsystem gibt zudem auch noch das Signal zur Entwarnung. Alle Blitz- und Sturm-Messdaten, die Systemfunktionen und die automati­schen Handlungsanweisungen werden sekundengenau doku­mentiert, zum Nachweis der Ereignisse."



Welche Anforderungen werden gemäß „DIN EN IEC 62793 Blitzschutz-Gewitterwarnsysteme" gestellt?

"Die DIN EN IEC 62793 definiert ein Gewitter-Warnsystem wie folgt: Ein System, das aus Gewitterdetektoren besteht, die in der Lage sind, Blitze anhand Ihres elektromagnetischen Impulses zu messen und damit die Blitzaktivität im Gefah­renbereich zu überwachen. Überdies verfügt das System über Werkzeuge zur Verarbeitung der erfassten Daten, um einen für den Menschen wahrnehmbaren Alarm (Warnung) in Be­zug auf die blitzbezogenen Ereignisse oder Bedingungen für einen definierten Umgebungsbereich zu liefern. Hierzu werden 2 Überwachungsradien mit einem Warnbereich und einem Alarmbereich gefordert. Die Größe und Form des Überwa­chungsbereichs sollte an die Bedürfnisse des Anwenders an­gepasst werden. In diesem Zusammenhang sollte ein klares Verfahren und Protokoll für die Alarmübermittlung definiert werden, um sicherzustellen, dass die Alarminformationen vom Endbenutzer ordnungsgemäß empfangen werden.


Die DIN EN IEC 62793 identifiziert typische Gefahrensituati­onen, in denen ein Gewitter-Warnsystem den Schutz von Men­schen verbessert. Hier werden insbesondere große Freiflächen und Personen, die an Aktivitäten wie Sport, Wassersport und Freizeit beteiligt sind genannt. Weiter folgert die DIN EN IEC 62793: Wenn die Sicherheit von Personen durch Blitzereignisse beeinträchtigt werden kann, sollte also ein Gewitter-Warnsystem verwendet werden. Es gibt Betriebe, die hierzu ein Alarmverfah­ren (z. B. Sirenen) mit vollautomatischer Funktion verwenden."



Wie funktioniert das Gewitter-Warnsystem in der Praxis?

"Das Gewitter-Warnsystem funktioniert wie folgt: Das Ge­witter-Warnsystem empfängt in Echtzeit bis auf wenige Meter genaue Daten tatsächlich gemessener Blitze in der Umgebung des Bades. Messdatenquelle ist das europaweite Blitzortungs­system der Firma SIEMENS. Im Vorfeld werden aufgrund wis­senschaftlicher Erfahrungswerte und Empfehlungen zwei in Form und Größe variable Überwachungsgebiete für das Bad individuell festgelegt. Ein äußeres Gebiet als Vorwarnbereich und ein inneres Gebiet als Alarmbereich. Bei Messung von Blitzen in erweiterter Entfernung im Vorwarnbereich gibt es eine automatische Vorwarnung per Farbanzeige (gelb) auf dem Smartphone und falls gewünscht einem separaten Monitor im Schwimmmeisterbüro. Bei Messung von Blitzen in für die Si­cherheit der Badegäste relevanter Entfernung (Alarmbereich), erfolgt ein automatisches Sirenen-Signal zur Unterbrechung des Badebetriebes. Das Bad ist zu evakuieren, alle Personen sollen umgehend Blitzschutz gesicherte Gebäude/Autos aufsu­chen. Das Badpersonal und die Badegäste können via Internet auf dem Smartphone den aktuellen Gewitterstatus (rot) und textliche Handlungsanweisungen ablesen und anhand eines 20 Minuten-Countdowns verfolgen, wie lange es bis zur Wie­derfreigabe des Bades noch dauert. Der Countdown springt wieder hoch auf 20, wenn weitere Blitze im Alarmbereich gemessen werden. Nach Abzug des Gewitters und Ablauf des 20-minütigen Sicherheitspuffers, erfolgt ebenso automatisch die Wiederfreigabe des Bades (grün) per Sirenen-Signal. Die vorhandene ELA des Freibades kann integriert werden und vordefinierte, sprachliche Handlungsanweisungen automatisch verbreiten. Bei zusätzlicher Installation einer Wetterstation im Freibad, kann neben Blitzschlag analog auch automatisch vor Sturm gewarnt und entwarnt werden."



In welchen Bäderbetrieben bietet sich eine Installation an?

"In allen Bäder-/Saunabetrieben, die einen Außenbereich haben."



Welche Gefahren gehen von einem Gewitter im Freibad aus?
  • Verletzung und Tod durch direkten oder indirekten Blitzschlag

  • Umherfliegende Teile (Äste, Holzsplitter, Sonnenschirme, Liegen, Gebäudeverkleidung etc.) durch den Blitzeinschlag und zusätzlichen Starkwind

  • panikartiges Verhalten unter den Badegästen

  • Brandgefahr durch mögliche Entzündung brennbarer Stoffe

  • Badpersonal bringt sich ggf. selbst in Gefahr um auf den Freiflächen verbleibende Badegäste zur Evakuierung zu bewegen. So geschehen z.B. im Fall Keidel-Therme Mai 2018, s.: https://www.badische-zeitung.de/zwei-menschen-wurden-im-eugen-keidel-bad-vom-blitz-getroffen--153134649.html



In welchen Bereichen, neben öffentlichen Bäderbetrieben, findet das System noch Anwendung?

Sportstätten, Profifußball/Nachwuchsleistungszentren, Bundes­liga-Stadien, Freizeitparks, Golfanlagen, Regattastrecken, Pferde­rennbahnen, Eventveranstaltungen, Industriegeländen.



Können Sie uns bitte noch zusätzliche Informationen zu den rechtlichen Hintergründen geben?

"Grundlage für Schadensersatzansprüche wegen Blitzschäden sind insbesondere die sogenannten Verkehrssicherungspflich­ten nach § 823 Absatz 1 BGB, bzw. bei Schwimmbädern in öf­fentlicher Hand § 839 BGB i. V. m. Artikel 34 GG. Nach der Rechtsprechung hat der Betreiber einer Sportanlage, z. B. einem Schwimmbad, grundsätzlich die Pflicht, Gefahren, die mit der bestimmungsgemäßen Nutzung der Sportstätte in Zusammen­hang stehen, zu verhindern (BGH in VersR 1980, Seite 67). Der Betreiber kann sich zur Erfüllung der Pflichten auch ande­ren Personen bedienen, bei Schwimmbädern üblicherweise dem Schwimmmeister. Gegenüber Kindern gelten aufgrund deren Unerfahrenheit und Unbesonnenheit besonders hohe Pflichten. Zu den üblichen Gefahren in Schwimmbädern gehört auch die Gefahr eines Blitzschlages. So hat die Deutschen Gesellschaft für das Badewesen e. V. gemeinsam mit dem VDE Ausschuss für Blitzschutz und Blitzforschung die DGfdB-Richtlinie R 94.06 über die Gefahren bei Gewitter erstellt. Daneben bestehen wei­tere Normen, die zum Schutz der Gäste als auch Mitarbeitern grundsätzlich zur Abwehr u. a. von Wettergefahren verpflichten, z. B. § 23 Vorschrift 1 der Regelungen der Unfallversicherungen (DGUV), §§ 3, 4 Arbeitsschutzgesetz oder auch in den jeweiligen landesrechtlichen Bauordnungen.


Die Maß der erforderlichen Verkehrssicherungspflichten richtet sich nach dem jeweiligen Stand der Technik, denn verlangt wird jeweils technisch Mögliche und Zumutbare. Die Rechtsprechung orientiert sich für die Verkehrssicherungspflichten auch an vor­handenen DIN-Normen oder DGUV Regelungen, hält jedoch deren Einhaltung lediglich für einen Mindeststandard, wodurch nicht zwingend auch alle Verkehrssicherungspflichten erfüllt wer­den (BGH in NJW 2004, Seite 1449)."


Vielen Dank für das sympathische Interview und weiterhin viel Erfolg, unsere Freibäder sicherer zu machen.


Quelle:



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